Rocco Calzone - Meine ehrenwerte Familie by Bertram Rüdiger

Rocco Calzone - Meine ehrenwerte Familie by Bertram Rüdiger

Autor:Bertram, Rüdiger [Bertram, Rüdiger]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: kinder
Herausgeber: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-12-05T00:00:00+00:00


8

Albis neues Heim

Als wir den hellgrünen Leichenwagen vor unserem Haus parken, geht die Sonne auf. Renzo ist schon eine Straße vorher ausgestiegen, um Brötchen zu holen. Mein großer Bruder besorgt unser Frühstück nicht beim Bäcker, sondern schnappt sich einfach eine Brötchentüte, die neben einer Flasche frischer Milch vor der Haustür unserer Nachbarn liegt. Die Flasche und die Sonntagszeitung nimmt er auch gleich mit. Das macht er jeden Sonntag, wenn er morgens von der Arbeit nach Hause kommt.

Mama und Papa versuchen den Panda zum Aussteigen zu überreden. Der denkt aber gar nicht dran, sondern macht es sich auf der Liege bequem. Die ist jetzt frei, weil Oma schon ins Haus gelaufen ist, um Kaffee zu kochen.

Meine Eltern versuchen es erst mit Schmeicheleien und Bestechungen (»Du bist ja so ein hübscher Panda! Komm raus, dann gibt’s Fresschen«), später mit Drohungen (»Steig sofort aus, du stinkendes Mistviech, sonst gibt es bald noch einen Panda weniger!«). Der Erfolg ist beide Male gleich null. Albi macht sich nicht mal die Mühe, den Kopf zu heben.

»Vielleicht versteht er nur Chinesisch«, sagt Angelina. Sie und Enrico sind schon wach oder noch wach – keine Ahnung – und stehen vor der offenen Wagentür, um sich Albi anzugucken. Meine Schwester macht ein Foto mit ihrem Smartphone von ihm und Enrico betrachtet interessiert die langen Klauen an seinen Tatzen. Wahrscheinlich stellt er sich gerade vor, wie der Panda damit ein Kaninchen zerreißt. Deswegen versteckt er sich auch halb hinter Mama, während Papa in die Küche geht, um Schokolade zu holen. Er will Albi unbedingt ins Haus locken, ehe die ersten Sonntagmorgenjogger auf der Straße unterwegs sind.

Ich beuge mich über den Panda, streichele über sein Fell und flüstere: »Komm Albi, ich zeige dir dein neues Zuhause!«

Albi schaut mich an, ich schaue ihn an, und dann erhebt er sich von der Liege und klettert aus dem Wagen. An der Haustür treffen wir Papa, der eine Tafel Schokolade in der Hand hält und mich ungläubig anstarrt.

»Wie hast du das gemacht?«, fragt er.

Ich zucke mit den Schultern und nehme ihm die Tafel aus der Hand. Nicht für Albi, sondern für mich. Ich glaube nämlich nicht, dass Schokolade eine artgerechte und gesunde Ernährung für Pandas ist, und außerdem schuldet Papa mir sowieso noch einen halben Schokoriegel.

»Albi wohnt bei mir«, rufe ich, als ich mit dem Panda im Haus verschwinde.

»Dann ziehe ich in Angelinas Zimmer«, brüllt Enrico, und das beweist, was ich sowieso schon vermutet hatte: Mein kleiner Mafia-Bruder hat tierisch Schiss vor Albi, dem Kaninchenkiller.

»Kommt gar nicht infrage!«, schreit meine Schwester.

»Ist doch nur für ein paare Tage«, versucht Mama sie zu beruhigen, da kommt Renzo auch schon mit den Brötchen, der frischen Milch und der Sonntagszeitung, und Oma ruft aus der Küche: »Kaffee ist fertig!«

Ich verziehe mich mit Albi in mein Zimmer. Der Panda schlurft müde zu meinem Bett und macht es sich darauf bequem. Hunger scheint er keinen zu haben, denn er schläft sofort ein. Das kann ich verstehen. Das war für uns alle eine lange Nacht. Ich habe auch keine Lust zu frühstücken, weil die Brötchen, die Milch und die Zeitung geklaut sind.



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